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Urban Gardening – Die grüne Rückeroberung

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Schon mal einen Anschlag mit einer Samenbombe verübt? Eine Frage, die für Uneingeweihte auf den ersten Blick vielleicht militant, auf den zweiten unanständig und auf den dritten Blick rätselhaft erscheint, sich aber dennoch recht einfach erklären lässt. Wenn man an einem schönen Frühlingstag mit offenen Augen durch Wien spaziert, dann passiert es seit einiger Zeit immer öfter, dass man inmitten der grauen Betonwüste plötzlich auf kleine, bunt bewachsene Grünoasen trifft. Meistens an Orten, an denen man diese nicht vermutet hätte. Orte, die davor im besten Fall als mit Rindenmulch überschütteter Verkehrsschildständer und im schlechtesten Falle als Fäkaldeponie für die Vierbeiner von Hundesackerl-Verweigerern ihr Dasein fristen mussten. Unweigerlich fragt man sich: Woher stammt diese geheimnisvolle Begrünung?

Guerilla Gardening: Pimp your Pavement!

Wenn auf trostlosen Verkehrsinseln plötzlich bunte Blumen sprießen und in verwahrlosten Hinterhöfen Gemüse gedeiht, dann liegt der Fall meist auf der Hand: Sie wurden Opfer eines Angriffs der örtlichen Garten-Guerilla. Gerüstet mit Spaten, Kübeln, Erde, Setzlingen und sonstigem Gartenbedarf rücken die gummibestiefelten Kämpfer mit dem grünen Daumen aus, um die Natur in die Stadt zurückzuholen. Ihre Geheimwaffe dabei: Die eingangs erwähnten Samenbomben – kleine Kügelchen aus Ton, Erde oder Kompost und Samen. Sie lassen sich gut verwenden, um schwer zugängliche Orte zu bepflanzen. Über Zäune geworfen oder in kleine Ritzen im Asphalt gelegt, fangen sie bald an zu sprießen (eine kurze Bastelanleitung gibt’s am Schluss). Was in Anfangszeiten noch anarchistisch anmutende Nacht- und Nebelaktionen vereinzelter Vorkämpfer waren, ist heute allerdings kein Aufreger mehr. Pflanzt man dieser Tage Karotten auf der Bauminsel an der Ecke an, erntet man allenfalls erstaunte Blicke von Passanten. Eine Ausnahme war hierbei sicher jener Scherzbold, der vor einigen Sommern eine Miniplantage aus Hanfstauden entlang der Wiener Ringstraße anlegte und es damit sogar in die Abendnachrichten schaffte.

Vom Guerilla Gardening zum Urban Gardening

Das Konzept des Guerilla Gardening ist keineswegs neu.  Es entstand bereits Ende der 1970er Jahre in den Großstädten der amerikanischen Ostküste und erlebte Anfang der 2000er in Großbritannien eine Renaissance, bis es dann – wie so Vieles erst 10 Jahre später – auch in heimischen Städten Nachahmer hervorbrachte. Die Motivation dahinter kann unterschiedlich sein: Belebung und Rückeroberung des öffentlichen Raums, sozialer politischer Aktionismus, direkte Lebensmittelversorgung, oder einfach nur Spaß an der Gartenarbeit. Die Grundidee bleibt jedoch immer die gleiche: Die Freude daran, das Stadtbild positiv zu verändern.

Das soziale Potential sowie der naturverbundene Gedanke blieben auch der Politik in den Großstädten nicht verborgen und einige eroberte Anbauflächen der Anfangstage wurden mittlerweile in geordnete Bahnen gelenkt. Aus Guerilla-Projekten und privaten Initiativen reiften so mittlerweile offizielle Nachbarschaftsgärten und gemeinschaftlich nutzbare Anbauflächen für interessierte Naturliebhaber und Hobbygärtner heran, denen aufgrund städtischer Lebensumstände die Gunst eines eigenen Gartens verwehrt bleibt. Unter den Überbegriffen „Urban Gardening“ und „Urban Farming“ laufen aber beispielsweise in und rund um Wien noch andere Maßnahmen für Gartenfreunde.  So wurden neben den Stadtgärten auch zahlreiche Selbsternteflächen geschaffen, in welchen Parzellen für eine ganze Gartensaison gemietet werden können und somit noch mehr Stadtbewohnern die Möglichkeit geboten wird, ihr eigenes Obst und Gemüse anzubauen.

Pack die Gummistiefel ein…

Neugierig geworden? susi.at zeigt dir, wo es in deiner Stadt die Möglichkeit zum Urban Gardening gibt.

Zum Abschluss, wie versprochen, ein einfaches Rezept für Samenbomben:

5 Teile rote Tonerde mit 3 Teilen Erde oder Kompost und einem Teil Samen mischen. Eventuell etwas Chilipulver gegen Fraßfeinde dazugeben. Einen Teil Wasser hinzufügen und zu kleinen Kügelchen formen. Ein bis zwei Tage trocknen lassen. Fertig!

Bildnachweis: Offenbach / flickr.com